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2022 N° 1
Primarschule Uster
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Fokus

«Es ist Zeit, in neuen Modellen zu denken»

Die Primarschule Uster ist Pionierin mit dem Pilotprojekt «Fachperson Betreuung im Kindergarten». Dr. Catherine Lieger von der Pädagogischen Hochschule Zürich begleitet das Projekt und zieht eine erste Bilanz.

Text: Rita Stocker

Gemeinsam mit der Pädagogischen Hochschule Zürich (PHZH) und begleitet vom Volksschulamt des Kantons Zürich (VSA) hat die Primarschule Uster im März 2022 ein zukunftsweisendes Pilotprojekt gestartet (siehe Beitrag «Pilotprojekt FaBe Kiga ist auf Kurs»). Jeweils vormittags stehen in drei Kindergartenklassen den Lehrpersonen ausgebildete Fachpersonen Betreuung (FaBe) Kind zur Seite, um zu entlasten und zu unterstützen. Da die Kinder seit der Harmonisierung des Schweizer Schulsystems beim Eintritt in den Kindergarten jünger sind, ist der Betreuungsbedarf gestiegen. Das Pilotprojekt ist eine Investition in die Zukunft der Kinder. 

Die besten Pädagoginnen und Pädagogen gehören in den Kindergarten

Catherine Lieger der PHZH begleitet das Pilotprojekt und unterstützt die teilnehmenden Klassen in Uster. Sie zieht drei Monate nach Projektstart ein positives Fazit: «Die Projektstruktur ist durchdacht und die nötige Offenheit für Veränderungen in der Primarschulpflege ist vorhanden. Von den Teams, die neu im Kindergarten zusammenarbeiten, höre ich, dass es super läuft. Alles in allem ist es ein Traumprojekt.» Doch das ist erst der Anfang. Das Projekt dauert noch bis Herbst 2023. «Bis dahin werden wir beobachten, wie sich die Zusammenarbeit gestaltet, wir begleiten das Projekt, werten aus und befragen die Eltern. Wichtig ist zu erfahren, wie die verschiedenen Beteiligten die Zusammenarbeit einschätzen und wo sie den Gewinn sehen», so Lieger.

«Die Projektstruktur ist durchdacht und die nötige Offenheit für Veränderungen in der Primarschulpflege ist vorhanden.»
Catherine Lieger, PHZH

Ein weiterer zentraler Punkt sei die gesellschaftliche Anerkennung des Berufes der Kindergarten-Lehrpersonen. «Die besten Lehrpersonen gehören in diese Stufe», ist Lieger überzeugt. Denn der Start im Kindergarten sei wichtig – auch für die Zukunft. «Je besser das Gefühl der Kindergartenkinder beim Eintritt, desto besser gestalten sich auch die späteren Übergänge von der Primarschule in die Oberstufe und den Beruf.»

Neben dem Alltag im Kindergarten ist die ausserschulische Betreuung für die jüngsten Schülerinnen und Schüler eine grosse Herausforderung – das ist eine erste Rückmeldung aus dem Pilotprojekt. «Optimal wäre es, wenn die FaBe mit den Kindergartenkindern in die Tagesbetreuung mitgingen und als Bezugspersonen beibehalten würden. Für die Kinder wäre das eine Bereicherung, da ein reibungsloser und vertrauter Übergang stattfindet», unterstreicht Lieger.
 

«Die Lehrpersonen können sich auf ihre Kernkompetenzen fokussieren, Hand in Hand arbeiten und die Förderung der Kindergartenkinder in den Mittelpunkt stellen.»
Catherine Lieger, PHZH

«Jetzt braucht es Mut zum Umdenken»

Es gibt Befürchtungen, dass durch diese Zusammenarbeit die Aufgabe der Kindergarten-Lehrpersonen abgewertet wird. Das sieht Lieger anders: «Sie haben Unterstützung und können sich auf ihre Kernkompetenzen fokussieren, Hand in Hand arbeiten und die Förderung der Kindergartenkinder in den Mittelpunkt stellen.» Gemäss Lieger könnte es sein, dass dadurch weniger Therapien benötigt werden, da ein Umfeld geschaffen wird, wo Verhaltensauffälligkeiten mit mehr Ressourcen aufgefangen werden können.

Wesentlich für die Entwicklung der Kinder ist gemäss Lieger das Spielen. «Es ist Zeit für eine neue Didaktik», sagt sie. Denn beim Spielen lernen die Kinder, gemeinsam Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Es werden Kompetenzen gefördert, da nicht jede und jeder für sich alleine spielt. Alle Kinder werden angesteckt – auch solche, die noch nicht parat sind – und steigen mit ihren jeweiligen Möglichkeiten ein. «Es braucht in den Kindergärten nicht 40 Stühle und Tische. Dadurch gibt es keine Fläche, auf der etwas entstehen kann.»

Stadt Uster als Pionierin

«Jetzt braucht es Mut zum Umdenken», ist Lieger überzeugt und ergänzt: «Dieses Pilotprojekt verfolgt eine Vision und es braucht Pioniere wie Uster. Der Zyklus 1 in der Schule muss eine Einheit werden mit einer gemeinsamen Philosophie. Es braucht mehr Ressourcen und der politische Wille muss ebenfalls spürbar sein. Vielleicht kann sogar ein neuer Beruf kreiert werden mit FaBe, die sich nach der Lehre auf den Kindergarten spezialisieren.»

Biografie Dr. Catherine Lieger


Dr. Catherine Lieger ist Dozentin und Leiterin des Schwerpunktprogramms Elementarbildung an der Pädagogischen Hochschule Zürich (PHZH). Im Rahmen des Pilotprojektes «Fachperson Betreuung im Kindergarten» begleitet sie die Zweierteams aus Lehrperson und FaBe. Sie bringt grosse Erfahrung als Lehrperson von 4- bis 8-jährigen Kindern und als Schulleiterin mit. Lieger ist in nationalen und internationalen Forschungs- und Entwicklungsprojekten tätig. MAS in Teacher Education, Leitung von Organisationen und deren Begleitung in Transformations- und Changeprozessen. Schwerpunkte: Lernen von 4- bis 8-jährigen Kindern, Spielen Plus, Didaktik im Elementarbereich, Professionalisierung von Lehrpersonen, multiprofessionelle Teams, Transitionen.

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