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«FaBe Betreuung Kind» als ideale Ergänzung

Kindergarten-Lehrerin Claudia Walt unterrichtet in Niederuster und Fachfrau Betreuung (FaBe) Kind Rahel Zimmermann arbeitet in Nänikon. Beide sind Teil der Arbeitsgruppe und des Pilotprojekts «Fachperson Betreuung im Kindergarten». Die zwei Frauen sind begeistert von ihren ersten Erfahrungen. Elterninfo traf sie zum Interview.

Interview und Foto: Cigdem Ruf

Elterninfo: Was war Ihre Motivation, bei diesem Projekt mitzumachen?

Claudia Walt: Mit 20 Kindern in einer Klasse kann ich nicht mehr so wie früher unterrichten. Das hat mit den Lernzielen und dem Lehrplan 21 zu tun. Diese geben mir vor, was die Kinder zu erreichen haben, damit sie parat sind für die 1. Klasse. Leider bleiben immer wieder Kinder auf der Strecke, weil sie in ihrer Entwicklung noch nicht so weit sind. Sie bleiben stecken, ich kann sie zu wenig unterstützen und sie nicht weiterbringen. Das war einer der ausschlaggebenden Punkte.

Rahel Zimmermann: Nach meinem ersten Abschluss als FaBe habe ich mir überlegt, ob eine Ausbildung zur Kindergarten-Lehrperson etwas für mich wäre. Meine Abklärungen haben aber ergeben, dass sich die Kindergartenarbeit stark gewandelt hat. So entschied ich mich für die Ausbildung zur Sozialpädagogin. Ausschlaggebend für meine Bewerbung war meine frühere Tätigkeit in einem Montessori-Kindergarten. Kinder in diesem Alter zu betreuen ist wunderbar. Ich kann aus dem Vollen schöpfen und meine Kreativität einbringen. Die Kinder in ihren fantasievollen Welten spielerisch abzuholen, begeistert mich. 

 

Hat der steigende Betreuungsaufwand mit dem jungen Alter der Kinder zu tun? 

Claudia Walt: Das junge Alter der Kinder erschwert die Situation, ist aber nur ein Teil der Problematik. Es ist vor allem die Fülle des Lernstoffs, den die Kinder begreifen müssen, und ihre Aufmerksamkeitsspanne ist enorm kurz geworden. Zudem gibt es in den Klassen immer mehr Kinder mit besonderen Bedürfnissen. Sie werden von Heilpädagoginnen und -pädagogen, Klassenassistenzen oder pädagogischen Mitarbeitenden begleitet. Der ständige Wechsel der Betreuungspersonen bringt Unruhe in die Klasse. 

 

War die bis anhin gewährte Unterstützung nicht hilfreich? 

Claudia Walt: Klassenassistenzen haben nicht dieselbe Ausbildung wie eine FaBe. So ist es ihnen nicht im selben Mass möglich, die Bedürfnisse einer Kindergarten-Lehrperson zu erkennen und diese abzudecken. Eine FaBe weiss, wovon ich spreche. Wenn man sich besser kennt, reicht manchmal ein Blick. 

«Ich habe mir gewünscht, eine Person zur Seite zu haben, die begleitend und zugleich fördernd da ist.»
Claudia Walt, Kindergarten-Lehrerin (im Foto links)

Seit März bilden Sie ein Team mit FaBe Claudia Keller Moser. Was hat sich verändert?

Claudia Walt: Für mich als Lehrerin waren die Anspannung und der Druck belastend. Im Kindergarten ist man als Lehrperson oft auf sich alleine gestellt. So habe ich mir gewünscht, eine Person zur Seite zu haben, die begleitend und zugleich fördernd da ist. Eine FaBe Kind bringt die passende Ausbildung für die Teamarbeit mit. Mit meiner Team-Partnerin kann ich mich austauschen und Situationen besprechen. 

 

Rahel Zimmermann, als Sozialpädagogin und FaBe bringen Sie grosses Wissen mit. Wie fühlen Sie sich in dieser «unterstützenden» Rolle?  

Rahel Zimmermann: Es fühlt sich für mich wie Heimkommen an. Ich habe mich sofort wohlgefühlt, auch mit den beiden Kindergarten-Lehrpersonen Patricia Berghoff und Corinne Kaufmann, mit denen ich ein Team bilde. Dennoch muss ich für mich noch herausfinden, was meine Rolle als FaBe ist. Es ist vieles neu, manchmal herausfordernd. Aber es passt einfach. 

 

Was erhoffen Sie sich von diesem Pilotprojekt?

Rahel Zimmermann: Ich sehe dieses Projekt als Chance, einen aktiven Beitrag zu leisten, dass etwas Neues entstehen kann. Es ist mir wichtig, Kinder in ihrem individuellen Entwicklungstand begleiten zu können. Davon sollen vor allem die Kinder profitieren, aber auch die Eltern sowie Fachpersonen und Gesellschaft. 

 

Kann man nach vier Monaten Pilotprojekt schon etwas Erfreuliches berichten? 

Claudia Walt: Rahel hat kürzlich bei der Projektbesprechung mit den anderen Teilnehmerinnen gesagt: Manchmal beobachte ich nur. Das ist genau das, wozu ich vorher kaum mehr gekommen bin. Mit einer FaBe ist das nun anders. Ich kann zurück in die beobachtende Position. Das gibt mir Kraft und Energie, um mutig zu sein. Ich mache Dinge, die ich schon lange nicht mehr in Angriff nehmen konnte, und probiere gerne Neues aus. Das macht den Alltag spannend.

Rahel Zimmermann: Am Anfang hatte ich den Drang, mich möglichst der jeweiligen Kindergarten-Lehrerin anzupassen. Dann habe ich gemerkt, ich muss meinen eigenen Weg gehen. Sie haben mir Raum gegeben. Ich beobachte, und wenn ich es nötig finde, unterstütze ich. Wenn wir im Unterricht zu zweit sind, haben wir den Vorteil, auch ruhige Kinder vermehrt zu fördern. 

Claudia Walt: Jemand mit FaBe-Ausbildung hat das Fachwissen, um bei der Elternarbeit zu unterstützen. Bei der Ankunft und Verabschiedung der Kinder nimmt sie sich Zeit und spricht mit den Eltern oder der Bezugsperson. Ich kümmere mich vor allem ums Kind, das hat bei mir Vorrang. Beim Elternmorgen habe ich bemerkt, wie Eltern aufgeatmet haben, als sie feststellten, dass eine weitere Ansprechperson da ist, die sie versteht.

Rahel Zimmermann: Ich habe an meinem zweiten Arbeitsort im Hort festgestellt, dass Eltern einen Austausch wünschen, wie er in der Kita gelebt wird. Kitas investieren viel in den Austausch und die Zusammenarbeit. Durch den Einsatz von FaBes kann im Kindergarten mehr Zeit für die Elternarbeit verwendet werden. 

 

Ist klar, wer im Klassenzimmer das Sagen hat?

Rahel Zimmermann: Corinne und Patricia sind die Lehrerinnen bei mir in Nänikon. Sie wissen, wie der Laden läuft, haben grosse Erfahrung. Wir begegnen uns auf Augenhöhe. Jede schöpft aus ihrem Fachwissen und bringt ihre Stärken ein. Die genaue Rolle der FaBe ist noch nicht ganz klar. Das muss man in diesem Pilotprojekt noch herausfinden. Je nach Team-Zusammensetzung und Mischung der Kinder sind die Aufgaben und die Zusammenarbeit unterschiedlich.

Claudia Walt: Das bin klar ich. Zu Beginn wollte meine Teampartnerin Claudia Keller Moser auf keinen Fall Kreissequenzen bestreiten. Doch gerade laufen die Proben für ein Theater – und sie rockt das Ding. Das Ganze ist ein Prozess. Wir haben beide einen Regiestuhl. Es ist einfach entspannter zu zweit. 

«Das Projekt erachte ich als Mehrwert und Investition in die Zukunft der Kinder.»
Rahel Zimmermann, FaBe Betreuung Kind (im Foto rechts)

Läuft immer alles rund?

Rahel Zimmermann: Bestimmend sind die Zusammensetzung der Klasse, die Energie und Spannung im Raum. Nach den Sommerferien, wenn die neuen Kinder kommen, kann das total anders aussehen. Das ganze Team muss flexibel sein.

Claudia Walt: Jedes neue Schuljahr stellt alles wieder auf den Kopf. Wir haben keine Ahnung, was auf uns zukommt. In diesen vier Monaten haben wir immer wieder Anpassungen vorgenommen. Wir schauen, dass wir uns finden, und sind jetzt schon so weit, dass wir wissen, wie wir es im August haben möchten.  

 

Wie reagieren die Kinder?

Rahel Zimmermann: Kinder haben ein sehr gutes Gespür. Es ist wichtig, dass wir im Team absprechen, wer die Tagesverantwortung hat. So wissen die Kinder, an wen sie sich wenden können. 

Claudia Walt: Die Kinder «stürmen» viel weniger. Es ist ruhiger, seit wir zu zweit sind. Die Kinder wissen, dass ich mir Zeit nehme, wenn sie mich etwas fragen kommen. Die FaBe hält mir den Rücken frei.

 

Gibt es einen Austausch mit den Projektverantwortlichen und den anderen Teilnehmenden? 

Claudia Walt: Wir hatten einen Weiterentwicklungstag. Es ist eindrücklich zu sehen, was da an Wissen zusammenkommt. Miteinander unterwegs zu sein und zu hören, wie es den anderen geht, ist toll.

Rahel Zimmermann: Wir mussten verstehen, es gibt kein Richtig oder Falsch. Es ist alles im Fluss. Bei einem Pilotprojekt gibt es noch keine Vorgaben.  

 

Hat das Projekt in Ihren Augen Zukunft?

Claudia Walt: Als Kindergarten-Lehrerin bin ich vieles: Mami, Sozialpädagogin und Betreuerin. Ich muss stets kreativ sein. Der Job braucht viel Substanz. Wenn man nun jemanden neben sich hat, der für dasselbe brennt, ist das einfach wunderbar.

Rahel Zimmermann: Ich habe mich gefragt, wie es die Kindergarten-Lehrerinnen vorher geschafft haben. Wenn ein Kind besonders grosse Aufmerksamkeit braucht, müssen alle andern warten und Rücksicht nehmen. Als FaBe kann ich unterstützen, ich setze mich neben das Kind. Davon profitieren vor allem auch die anderen Kinder. Das Projekt erachte ich als Mehrwert und Investition in die Zukunft der Kinder.

Die Teams im Pilotprojekt «FaBe im Kindergarten»

  • Oberuster: Franziska Ehrensperger (Lehrperson) und FaBe Monika Fussen
  • Tagesschule Niederuster: Claudia Walt (Lehrperson) und FaBe Claudia Keller Moser
  • Nänikon: Corinne Kaufmann (Lehrperson) und Patricia Berghoff bis Ende Schuljahr 21/22 und FaBe Rahel Zimmermann

 

 

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